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Selbsthilfegruppen für Exhibitionisten
Der Gruppenleiter Alfred Esser war im Gespräch mit der K.I.S.S.

(He) 15 Jahre sind bereits vergangen, seit sich in Dortmund die Selbsthilfegruppe für Exhibitionisten mit Unterstützung des Gesundheitsamtes gegründet hat. In der Anfangsphase begleitete ein Sozialarbeiter die neue Selbsthilfegruppe, die später eigenständig arbeitete und bis heute aktiv ist.

„Isolation tötet"

Die Gruppe ist offen für Männer. die unter dem Zwang stehen, sich zeigen zu müssen. Die exhibitionistischen Aktivitäten und die damit verbundenen Gefühle wie Scham und Selbstvorwürfe bedeuten für Betroffene eine große psychische Belastung, die sich noch erheblich steigert, wenn es zu strafrechtlichen Konsequenzen kommt. Dann erfahren Angehörige, vielleicht sogar das nähere Umfeld oder Arbeitgeber über das exhibitionistische Tun. Die Exhibitionisten ziehen sich zurück oder werden gemieden. „Die Isolation, in die Betroffene geraten, tötet", sagt Alfred Esser, Leiter der Dortmunder Gruppe. In der Selbsthilfegruppe für Exhibitionisten treffen sich alle zwei Wochen 5 bis 20 Betroffene aus der ganzen Region. Manner „fliehen" nicht selten aus ihrem Heimatort in die Dortmunder Gruppe, denn die Angst ist groß, in der eigenen Stadt aufzufallen.

Die Gruppe bietet Gleichbetroffenen die Möglichkeit, sich durch gemeinsame Gespräche zu entlasten. Gesprache ohne Tabu unter Menschen, die das Verständnis auf Grund ihrer eigenen Betroffenheit haben, sind ein erster Schritt aus der Isolation heraus. Esser beschreibt seine Grunderfahrung aus der langjährigen Gruppenarbeit und das Ziel des Gruppenlebens so: „Exhibitionismus ist nicht heilbar: in der Gruppe können Betroffene aber einen gesellschaftsverträglichen Umgang mit der Zeigelust erlernen".

Öffentlichkeit schaffen

Nicht nur die persönliche, entlastende Arbeit ist Ziel der Selbsthilfegruppe für Exhibitionisten. Öffentlichkeit soll geschaffen werden für das Thema. Alfred Esser, der sich durch jahrelange Auseinandersetzung mit seiner Neigung persönlich und psychisch entlastet fühlt, übernimmt diese Aufgabe für die Gruppe. „Wer noch tief in seiner belastenden Situation steckt, kann keine Öffentlichkeitsarbeit leisten". Esser liegt viel daran, über das Phänomen Exhibitionismus aufzuklaren: „Reißerische Fahndungsberichte verunsichern und verängstigen die Bevölkerung unnötig", ein sachlicher Umgang mit der Thematik sei hilfreicher. Damit könne man sich z. B. einer in Essers Augen nötigen Veränderung des Strafrechtes nähern, um Betroffene zu entkriminalisieren. Derzeit sind Haftstrafen bis zu einem Jahr möglich. Exhibitionisten seien nicht mit Gewalttätern gleichzusetzen. Sie würden ihrem Gegenüber keine Angst einjagen wollen, keinen körperlichen Kontakt suchen. Es gehe ausschließlich um die eigene Lustempfindung durch das Sichzeigen aus einer räumlichen Distanz. „Gefängnis nützt keinem Exhi, hilft ihm nicht weiter, sondern erhöht die gesellschaftliche Isolation".

 

Die letzte öffentliche Veranstaltung, die Esser initiierte, stand unter dem Thema 'strafbarer Exhibitionismus'. Eingeladen hatte Alfred Esser über Dortmunds Grenzen hinaus Vertreterinnen aus Polizei, Justiz, Beratungsstellen, Frauengruppen. Medien und forensischen Einrichtungen sowie Bewährungshelfer, Psychologen, Therapeuten, Betroffene und interessierte Bürger und Bürgerinnen. Enttäuscht war Esser von der Resonanz. Nur ca. 30 Personen fanden sich zu der Veranstaltung ein, die Hälfte allein seien Betroffene gewesen. Obwohl die Anwesenden lebhafte Diskussionen im Anschluss an den Vortrag des Freiburger Sexualtherapeuten Dr. Peter Niehenke geführt hätten, sei das eigentliche Ziel der Veranstaltung leider nicht annähernd erreicht worden. Esser: „Unsere Absicht war, der Öffentlichkeit die sexuelle Neigung, deren Ursachen unerforscht und auch nicht heilbar sind, etwas näher zu bringen und dabei Vorurteile, Klischees, unsinnige Ansichten richtig zu stellen."

So bleibe die Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Exhibitionismus weiterhin eine mühselige Angelegenheit, es müsse noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. „Letztlich käme ein Schritt der Humanität allen Beteiligten zugute".

Betroffene und auch Interessierte können Kontakt zur Gruppe aufnehmen: per e-mail an esseralfred@aol.com oder brieflich an

Alfred Esser
c/o K.I.S.S.
Leuthardstr. 6
44135 Dortmund

Die Kontaktstelle leitet die Post ungeöffnet an Alfred Esser weiter. Sie ist auf einer eigenen Webseite zu erreichen unter

*Anm.: Alfred Esser ist ein Pseudonym, unter dem Esser in der Öffentlichkeit auftritt und auch als Ansprechpartner für die Gruppe aktiv ist.

Quellenangabe:
K.I.S.S. Dortmund
Forum 2002 - 10. Jahrgang - Heft 3/02

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