TAGUNG
DER ARBEITSGEMEINSCHAFT HUMANE
SEXUALITÄT (AHS) ZUM THEMA
am 15.11.2003 in Mainz
Tagung "Sexualität und Recht" -
Kurzzusammenfassung
Die Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität e. V. (AHS) veranstaltete am
Samstag, den 15.11.2003 in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis
Sexualstrafrecht der Humanistischen Union (AK-S / HU) eine Fachtagung zum
Thema "Sexualität und Recht" in Mainz. Die Tagung dauerte von 9 Uhr bis 18
Uhr, es kamen dabei sechs Referenten zu Wort.
Einführend referierte Prof. Dr. Fritz Sack, Universität Hamburg, zum
Thema "Die neue Straflust am Beispiel des Sexualstrafrechts". Er stellte
dabei dar, dass der heutige Trend, Wahlkampf mit der Forderung nach
Strafrechtsverschärfungen zu betreiben, ursprünglich aus den USA gekommen
ist und dort in einem Wahlkampf um einen Gouverneursposten mit Erfolg
angewendet wurde. Dieser Trend wanderte dann nach Europa und Forderungen
nach Strafrechtsverschärfungen kamen auch verstärkt in Frankreich,
Großbritannien und auch Deutschland in der Politik auf. Dr. Fritz Sack
arbeitete gleichzeitig heraus, dass der Ruf nach mehr Strafe in einem
Zusammenhang mit einem zunehmenden Abbau sozialstaatlicher Zielsetzungen
steht.
Dipl.-Psych. Friedrich Nolte, München, äußerte sich zum Thema
"Sexualität und Massenmedien, Kindesmissbrauch und die Darstellung in den
Massenmedien". Er führte an Hand der Darstellung der massiv
vorverurteilenden Berichterstattung der Münchener Presse nach Festnahme
eines angeblichen "Kinderschänderringes" in die Thematik ein und
erläuterte, dass grundlegende journalistische Prinzipien dabei auf der
Strecke blieben. Er bemängelte auch, dass fachwissenschaftliche
Erkenntnisse in den Medien meist nicht dargestellt würden, weil man sich
durch Skandalberichterstattung höhere Auflagen erhoffe.
Der Dortmunder Rechtsanwalt Rainald Imig referierte nachfolgend über
"Exhibitionismus, Sexualität und Recht". Er stellte dabei die aktuelle
Rechtslage dar und ging auf die Unsicherheit des Tatbestandes ein, die
sich aus dem subjektiven Erfordernis der Belästigung ergebe. Antworten auf
die Frage nach der Belästigung durch die exhibitionistische Handlung seien
vielfach abhängig von der Befragungsart des Richters in der
Hauptverhandlung. Darüber hinaus erläuterte Herr Imig, dass sich in Fällen
der Serienverurteilung wegen vieler exhibitionistischer Handlungen auch
mehrjährige Haftstrafen ohne Bewährung ergeben können und dass im
Einzelfall auch die Unterbringung in der Psychiatrie erfolgen könne, die
auf unbestimmte Zeit erfolgt.
Nach der Mittagspause kam als nächstes der Dozent an der Fachhochschule
für öffentliche Verwaltung Duisburg und Bundesvorsitzender der
Humanistischen Union, Reinhard Mokros, zu Wort. Er beabsichtigte
ursprünglich über Vortaten von Vergewaltigern zu referieren, änderte aber
aus aktuellem Anlass sein Thema und äußerte sich nun über "Journalisten
als Ermittler - Eingriff in das rechtsstaatliche Strafverfahren". Er
fasste dabei zunächst einen zweiteiligen Stern-Artikel zusammen, der auf
der Arbeit des Journalisten Manfred Karremann basierte, der jahrelang in
die Pädophilen-Szene eingetaucht war, im Zusammenhang mit dessen Arbeiten
war es auch zu Festnahmen gekommen. Herr Mokros kritisierte diese Art der
Zusammenarbeit der Polizei mit Journalisten als nicht rechtsstaatlich, sie
sei in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen. Er bemängelte ferner die
Beeinflussung möglicher Zeugen einer kommenden Hauptverhandlung durch
vorhergehende journalistische Befragungen. Ferner kritisierte Herr Mokros
die im Zusammenhang mit Hausdurchsuchungen erfolgende Präsentation von
gefundenen Computern, Festplatten, CDs usw. als Beweismittel durch die
Polizei. Herr Mokros erinnerte daran, dass diese Gegenstände aus sich
heraus noch gar keinen Beweiswert haben, sondern erst daraufhin überprüft
werden müssen, es handelt sich vielmehr lediglich um sichergestellte
Gegenstände, die eventuell Beweismittel werden können.
Als fünfter Referent kam dann Dipl.-Psych. Michael Griesemer zum Thema
"Das Konfliktfeld zwischen Psychologie und Sexualstrafrecht" zu Wort. Herr
Griesemer erläuterte dabei die Schwierigkeit, wissenschaftlich exakt
Zusammenhänge zwischen einer Handlung, etwa einem sexuellen Missbrauch,
und irgendwann später auftretenden Schäden darzustellen. Ferner
kritisierte er die Dämonisierung und Beschmimpfung von pädophilen Menschen
als "Kinderschänder" durch die Medien. Herr Griesemer erläuterte, dass es
sich bei der Pädophilie um eine seelische Störung laut ICD handele und es
nicht angebracht sei, Menschen mit einer seelischen Störung derart zu
dämonisieren, diese Menschen benötigten Hilfe, nicht aber Herabsetzung.
Zuletzt sprach der Miesbacher Rechtsanwalt Ulrich Fuchs über
"Missbrauch mit dem Missbrauch in familienrechtlichen Verfahren - Versagen
der Justiz?". An Hand eines Beispielfalles seiner anwaltlichen Praxis
erläuterte er, wie schwer es ist, unberechtigte Missbrauchsvorwürfe, die
einmal im Rahmen eines Verfahrens um das Umgangsrecht nach Trennung der
Eltern entstanden sind, wieder zu entkräften.
DER AUFRUF
